Vor 40 Jahren brachte Opel ein Auto für "Reisende von Rang". Das Diplomat V8 Coupé verkehrte in den nobelsten Kreisen - und auf Augenhöhe mit Mercedes. Dabei war der feinste Rüsselsheimer ein Vertreter amerikanischer Lebensart. Sein Wesen war das eines Straßenkreuzers. Er fasziniert noch heute
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....Stefan
Miete
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Weißt Du eigentlich,
wie Du gerade aussiehst?" Die Stimme von Fotograf Jochen
Faber tönt scheppernd aus dem Walkie-Talkie. "Nein, das
weiß ich nicht". "Du strahlst, als hätte Dir Adam
soeben seine Opel AG vermacht!" Ich lasse ihn wissen, dass
ich künftig "General Mietors" für ihn sei, er mich
aber GM nennen dürfe. Ganz im Vertrauen: Jochen hat ja
Recht. Ich sitze am Steuer dieses 1965er-Opel Diplomat V8
Coupé und bin im Begriff, zum Generaldirektor
aufzusteigen - mental jedenfalls. Instinktiv fingere ich
nach der Zigarre, die ich jetzt eigentlich anstecken
müsste, aber nicht kann, weil ich keine habe. Dann eben
Luft-Zigarre. An Bord dieser Rüsselsheimer
Prachtkarosse wird mir mit jeder Minute klarer, welches
Gefühl die großen Opel-Wagen jener Zeit bei ihren
Fahrern geweckt haben müssen - den blanken
Besitzerstolz. Der macht die Brust so breit, dass man nur
mit Mühe aussteigen kann. |
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So nannten sie ihn ganz diplomatisch Diplomat, und die K-A-D-Buchstabenfolge war komplett. Ein standesgemäßer 190 PS kräftiger 4,6-Liter-V8-Zylinder von General Motors steckt im mächtigen Bug des Ober-Opel, der seinerzeit auf Augenhöhe mit den allerfeinsten Mercedes-Modellen verkehrte. Im Sommer 1965 erschien das Coupé. Es stellte beinahe alles in den Schatten, was sonst aus deutschen Fabrikhallen rollte. Der bei Karmann in Osnabrück insgesamt nur 347 Mal gebaute Zweitürer bekam einen noch größeren Ami-V8 implantiert. Die Leistung des 5,4-Liter-Chevrolet-Kraftwerks (230 PS) entsprach ungefähr fünfeinhalb zeitgenössischen VW Käfern. Auf heutige Verhältnisse übertragen, müsste ein Diplomat des Jahrgangs 2005 mit weit mehr als 500 PS unterwegs sein. Wir fahren ins Rheingau, und ich kurble heftig am Volant. Es hat um die Mittellage so viel Spiel, dass allein die korrigierenden Lenkbewegungen ausreichen würden, um mit einer modernen Limousine rechtwinklig abzubiegen > |
1965 bei Oberbürgermeisters zu Hause: edle Holzintarsien und gnadenlose Sachlichkeit im sehr reichlich bemessenen Innenraum (oben links). Ein Schiff wird kommen: Der Steuermann kurbelt an der serienmäßigen "Hilfslenkung". Derweil dudelt das Blaupunkt-Radio "Köln" (694 Mark) Fred Bertelmanns lachenden Vagabund. Einfach schick: das schwarze Vinyldach der Ober-Opel. Wer hat eigentlich angeordnet, das man sowas heute nicht mehr bauen darf? |
DER BESITZERSTOLZ MACHT DIE BRUST SO BREIT, DASS MAN KAUM AUSSTEIGEN KANN |
und in der nächsten
Böschung einzuschlagen. Das Lenkrad selbst ist ein
echtes Schmuckstück und glänzt zweifarbig. Oben
wie unten ist es baby- und dazwischen himmelblau. Die breite
Prallplatte auf der Nabe und Teile des Cockpits hat man mit
hübschem Echtholz vertäfelt, dessen Farbe mich
irgendwie an mein Jugendzimmer erinnert - schönen
Gruß an Flötotto. Von Haus aus war der Diplomat
natürlich besser ausgestattet als die alten Kameraden
Admiral oder Kapitän. Vier elektrische Fensterheber,
die Lenkhilfe, der besonders feine Teppich und
Fußraumleuchten hinten etwa waren
serienmäßig an Bord. Im urgemütlichen Fond
finden sich gleich zwei Zigarettenanzünder -
längst erloschene Relikte einer Zeit, in der noch
geraucht wurde. |
230 PS STARKER CHEVY-V8 DER DAIMLER-SCHRECK |
Oben links: Was aussieht wie Raumschiff Enterprise auf Abwegen, ist die hübsch verchromte Luftfilter-Abdeckung des dicken V8. Rechts: zeitgenössisches Dreiecksfenster zum Kurbeln. Glas Most. Diplomaten-Rast in Schloss Johannisberger Weingütern in Geisenheim |
Das gewaltige Drehmoment von
maximal 435 Newtonmetern würzt das schmale
Zwei-Vorwärts-Gänge-Menü allerdings
kräftig an. Mit dem deutschen Straßenkreuzer kann
man erstaunlich flott unterwegs sein und bewegt sich dabei
gefühlsmäßig an der Schnittstelle zwischen
"Firma Hesselbach" und den "Straßen von San
Francisco". Die US-Fernsehserien der 1970er-Jahre haben uns
das Fahrverhalten der Dickschiffe deutlich vor Augen
geführt. Das geht so: Der Hauptdarsteller schaukelt im
Ami-Schlitten durchs Bild. Die Amischlitten-Reifen
quietschen dabei sogar auf Feldwegen! Der Hauptdarsteller
hält - reifenquietschend - an, stürzt aus dem Auto
und verfolgt einen Spitzbuben, den er umlegen muss.
Zurück bleibt ein einsamer Amischlitten, der zwar nicht
mehr quietscht, aber auf dem Parkplatz noch nachwankt und
-schwankt, als der Spitzbube längst zur Strecke
gebracht ist. Karl Malden hätte Diplomat fahren sollen.
Die formidable DeDion-Hinterachse, bei der das schwere
Hinterachsgetriebe separat an der Karosserie aufgehängt
war und die Achsaufhängung nicht durch Antriebsmomente
belastet wurde, kam übrigens erst 1969, in der B-Serie
der K-A-D-Modelle, zum Einsatz. Sie verbesserte das
Fahrverhalten und den Federungskomfort ganz erheblich. Das
Schwere-Wagen-Gefühl unseres noblen Coupés aber
beeindruckt auch so. Wir erreichen die Fürst von
Metternich-Winnenburg'sche Domäne auf Schloss
Johannisberg in Geisenheim. Einige Passanten verfallen in
eine Art Erinnerungs-Wettbewerb. Wer hat wann wo seinen
letzten Diplomat gesichtet? Eine ältere Dame setzt sich
an die Spitze. Ihr erster Mann fuhr einen. Damals. Ganz
bestimmt. Dankbar notiere ich jedes kleinste Detail ihrer
Ausführungen. Sie ergeben in der Summe ein recht klares
Bild vom ersten Ford Escort - im Volksmund liebevoll
"Hundeknochen" genannt. Na und? Als ob das eine Rolle
spielt. Jugendzimmer, erste Ehemänner, die Hesselbachs
oder die Straßen von San Francisco. Im Grunde ist es
völlig egal, an welches Auto wir unsere Erinnerungen
knüpfen. Hauptsache, wir haben welche. Ich stecke mir
eine dicke Luft-Zigarre an und rolle mit Jochen durch die
Weinberge. "Sag mal GM, weißt Du eigentlich, wie Du
gerade ...?". Ja Jochen, ich weiß es. Und es ist gut
so. |
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